Universitätsklinikum des Saarlandes - Erinnerung an NS-Euthanasie

„Zahlreiche Opfer des NS-Regimes aus Homburg sind namentlich nicht bekannt, eine gründliche Recherche in den Archiven steht bislang aus. Einzig der Forschungsstand des Landeskrankenhauses, heute das Universitätsklinikum des Saarlandes, gibt Einblicke in die schrecklichen Geschehnisse, die unter den Begriffen ‚Rassenhygiene‘, ‚Zwangssterilisierung‘ und ‚Euthanasie‘ verschleiert werden. Wiederentdeckte Krankenakten der Jahre zwischen 1935 und 1939 der Abteilung für Nervenkranke des LKH belegen die zwangsweise Anordnung der Sterilisation bei 1.452 Patienten. Die ‚Diagnosen‘ bewegten sich zwischen ‚angeborenem Schwachsinn‘, ‚Epilepsie‘ und ‚Schizophrenie‘. 441 Patienten wurden in den Jahren 1939 und 1940 in andere Anstalten verlegt; viele wurden Opfer im Rahmen der reichsweiten ‚Aktion T 4‘, mit der psychisch Kranke ermordet wurden.

Nach Kriegsende war es zunächst still um diese Geschehnisse, die Überlebenden schwiegen oftmals für Jahrzehnte aus Scham über die erlittenen Qualen und Demütigungen. Erst in den 1970er Jahren kam Bewegung in die Angelegenheit.

Zentrale Figuren waren Professor Dr. Oskar Orth, Leitender Direktor des Landeskrankenhauses, sowie Dr. Hans Heene, Dr. Rudolf Leppien und Dr. Karl Strouvelle. Letzterer hat 1939 durch seine von Orth betreute Würzburger Dissertation ‚Erfahrungen bei der Sterilisation weiblicher Erbkranker aufgrund von 630 Fällen des LKH Homburg/Saar‘ der Nachwelt ein erschütterndes Zeitdokument des menschlichen Zynismus hinterlassen.

Im Saarland wurde lange kontrovers über Klinikleiter Orth (1876- 1958) diskutiert. Der Ehrenbürger von Homburg (seit 1947) und Ensheim (seit 1946) war ein guter Chirurg, der sich jedoch uneingeschränkt der NS-Ideologie unterordnete. Orth sorgte jahrelang für die reibungslose Umsetzung des NS-Gesetzes ‚zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘, also das Töten von Menschen. Nicht zuletzt hat er als leitender Chefarzt mehr als 1.400 Operationsprotokolle unterschrieben. Falls er nicht selbst operierte, taten es seine willfährigen Handlanger. Im Zuge der ‚Entnazifizierung‘ wurde Orth am 15. August 1946 von seinem Lehrauftrag entbunden und am 1. Januar 1947 emeritiert. Orth wurde bei seiner Versetzung in den Ruhestand für die großen Verdienste während seiner 25-jährigen Tätigkeit als Leiter des Landeskrankenhauses und für seinen chirurgischen Einsatz für die Bevölkerung geehrt. Noch im Jahre 1957 erhielt er das große Bundesverdienstkreuz. In Homburg benannte man erst 1993 den nach ihm benannten „Oscar-Orth-Preis” für hervorragende Leistung von Nachwuchsmedizinern in ‚Wissenschaftspreis der Stadt Homburg‘ um, außerdem erhielt die ebenfalls auf ihn getaufte Zufahrtsstraße zur Klinik 1997 ihren ursprünglichen Namen „Kirrbergerstraße” zurück. Bemerkenswert ist die Diskussion um Orth in Ensheim verlaufen, wo man sich ungleich schwerer mit seinem Ehrenbürger tat. Spektakulär war die große Sympathie, die ihm seitens der Bevölkerung entgegengebracht wurde. Erst im Jahre 2001 wurde die nach ihm benannte Straße in „Alte Spitalstraße” umbenannt.

Bei allen Diskussionen über Orth und seine nationalsozialistischen Kollegen wurde auf die Opfer so gut wie gar nicht eingegangen. Plötzliche Unauffindbarkeit von Akten im Universitätsarchiv erschwerten die Forschungen und rückten die Universitätsklinik lange Zeit in kein gutes Licht. Auch blieb in beiden Kommunen seine Ehrenbürgerschaft unberührt. Der Möglichkeit einer kritischen, aktiven Auseinandersetzung und einer eigenen Standortbestimmung im Bewusstsein der historischen Differenz wurde mit dem Einwand ‚Ehrenbürgerschaften erlöschen mit dem Tod‘ aus dem Weg gegangen.“

Von 1935 bis 1939 wurden mehr als 2.880 Anträge auf Zwangssterilisation im Saarland gestellt. Die Mehrzahl davon wurde im damaligen Landeskrankenhaus Homburg ausgeführt. 1939 wurde, um die Krankenhäuser Merzig und Homburg für die militärische Nutzung frei zu machen, ein Großteil der damals 1.200 bis 1.600 psychiatrischen Patienten in andere Anstalten deportiert und getötet.

Gut 80 Jahre später, am 22. September 2020 wurde zur Erinnerung an diese Menschen auf dem historischen Friedhof des Universitätsklinikums (Innenhof hinter Gebäude 30) eine Gedenkstele aufgestellt.

Auf der Stele stehen folgende Worte:

„Wir gedenken der Opfer der Zwangssterilisation am Landeskrankenhaus 1935-1939 sowie aller Opfer der Euthanasie des Nationalsozialismus. ERINNERN. MAHNEN. LERNEN.“

 

Zitierter Text:

 

Informationen zur Gedenkstele am UKS:

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